Die Zukunft des Fliegens
Die Luftfahrt nimmt sich dem Thema Klimaschutz an, mit Konsequenzen für das gesamte System Fliegen – vom Antrieb bis zum Flugzeugdesign.
Der Klimawandel verändert die Art, wie wir uns fortbewegen. Wir kaufen Elektroautos, fahren mehr Bahn und versuchen auf Flugreisen zu verzichten. Doch was ist, wenn nicht wir auf das Fliegen verzichten, sondern die Luftfahrt an sich umweltfreundlicher wird? An dieser Vision arbeiten Forschende bundesweit im Forschungscluster SE²A – Sustainable and Energy-Efficient Aviation. Dieses vereint über 65 Forschende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, der Leibniz Universität Hannover und der Technischen Universität Braunschweig. Experte im Bereich der Luftfahrt und Leiter des Instituts für Flugantriebe und Strömungsmaschinen (IFAS), Professor Jens Friedrichs, ist Sprecher des Exzellenzclusters SE²A und begleitet diverse Forschungsprojekte, die stark interdisziplinär arbeiten: „Wir vereinen die klassischen Flugzeugdisziplinen mit Leistungselektronik, Elektromotorik, aber auch der Szenarienforschung, die sich die Frage stellt, wie der Mobilitätsbedarf in 20 bis 30 Jahren aussieht.“
Neue Antriebsmodelle
Um die schädlichen Emissionen, die beim Fliegen entstehen, zu minimieren, hat die Wissenschaft in den letzten zehn Jahren verschiedene nachhaltigere Antriebsmodelle getestet. Zwei Modelle haben sich hierbei als sinnvoll erwiesen und werden aktuell auf ihre Vor- und Nachteile überprüft. Testsieger für Strecken bis zu 5.000 Kilometern ist die Brennstoffzelle. Diese wandelt Wasserstoff mithilfe von Luftsauerstoff in Antriebsenergie um und erzeugt hierbei neben ein paar Wasserteilchen keine schädlichen Emissionen. Zwar sei auch das Wasser laut Jens Friedrichs bedenklich, da es sich in Form von Wolken in der Luft ansammelt und so nicht nur den Wasserkreislauf, sondern auch das Klima beeinflusst, jedoch könne man dies deutlich besser unter Kontrolle bringen als das CO₂ und die Stickoxide, welche heutzutage von Kerosin betriebenen Flugzeugen emittiert werden.
Komplett emissionsfrei, aber nur für Strecken bis zu höchstens 1.000 Kilometern geeignet, ist das elektrische Fliegen mit Batterien. Aufgrund ihrer chemischen Natur sind Batterien lediglich in der Lage, begrenzte Energiemengen zu erzeugen. Bei Erschöpfung der chemischen Komponenten
innerhalb der Batterie oder dem Ausbleiben der Reaktionsfähigkeit erreicht sie ihre Kapazitätsgrenze und verliert die Fähigkeit, Energie zu speichern. Diese Gegebenheiten limitieren somit ihren Einsatz auf Kurzstreckenflieger.
Um Langstrecken von über 5.000 Kilometern zurücklegen zu können, muss langfristig, laut Professor Friedrichs, auf synthetisches Kerosin zurückgegriffen werden. Dieses hat die gleichen
energetischen Eigenschaften wie herkömmliches Kerosin und kann mittels herkömmlicher Gasturbinen
genutzt werden, ohne negative Auswirkungen auf das Klima. Leider ist die Synthese extrem teuer, weshalb die Verwendung der sogenannten „Sustainable Aviation Fuels” gegenüber den anderen günstigeren Alternativen möglichst reduziert werden sollte.
„Man kann das Flughafendesign eigentlich erst dann optimieren, wenn man eine genaue Vorstellung über die Flugzeuge der Zukunft hat und die gibt es noch nicht.“
Professor Jens Friedrichs, Sprecher des Exzellenzclusters SE²A
Konsequenzen für das System Fliegen
Der Austausch des Antriebssystems hat weitreichende Konsequenzen für die Flugzeugkonstruktion.
Batterien und Brennstoffzellen sind schwer und können ihre eigene Masse – eingebaut in herkömmliche Flugzeuge – nicht durch ihre eigene Antriebsleistung ausgleichen. Die Forschung versucht dieses Defizit durch eine Reduzierung des Gewichts sowie des Widerstandes über das aerodynamische Design des Flugzeuges wieder auszugleichen. Für Professor Friedrichs steht jedoch fest, dass eine wirkliche Veränderung der Luftfahrt nur dann erreicht werden kann, wenn nicht nur die Flugzeugkonstruktion, sondern das gesamte System sich anpasst: „Es funktioniert nicht, ein Luftfahrtsystem nur für ein Land oder eine große Region wie Europa zu denken. Jedes Flugzeug, das in Europa losfliegt, muss auch in den USA landen können.“ Hierfür müsse nicht nur die Luft-, sondern auch die Landseite erforscht werden. Wie beeinflussen andere Flugzeuge und andere Formen der Flugreise die Passagierströme? Brauchen Flughäfen langfristig Anschlüsse an das Wasserstoffnetz?
Professor Jens Friedrichs ist dennoch fest davon überzeugt, dass wir in den kommenden zehn bis zwanzig Jahren vermehrt neuartig betriebene Flugzeuge im Luftraum sehen werden. Zumindest ein emissionsfreier Kurzstreckenflug mit Batterien sollte bis 2040 mindestens möglich sein.