Zeitzeugen aus Stein und Putz
Welche Geschichten stecken eigentlich hinter den vielen Denkmälern unserer Stadt? Dieser spannenden Frage konnten Interessierte am Tag des offenen Denkmals am 8. September nachgehen.
Hoch hinaus am Giersberg
Das Motto des bundesweit gefeierten Tages lautet 2024: „Wahr-Zeichen. Zeitzeugen der Geschichte“. Eines dieser „Wahr-Zeichen“, das von längst vergangenen Tagen berichten kann, ist der Braunschweiger Wasserturm am Giersberg. Erbaut 1901 läutete er, zusammen mit dem 1902 in Betrieb genommenen Grundwasserwerk am Bienroder Weg, eine neue Ära der Wasserversorgung in Braunschweig ein. Bis 1987 sorgte der 2000 Kubikmeter fassende Stahlbehälter für den nötigen Wasserdruck im Netz. Nach wie vor befindet sich das Baudenkmal in Besitz von BS|ENERGY, die gemeinsam mit dem Denkmalschutzamt der Stadt den sonst nicht zugänglichen Turm an diesem besonderen Septembertag für Führungen öffneten. Über 145 enge Stufen ging es Schritt für Schritt empor. Oben angekommen, wurden die Gäste mit einem atemberaubenden Blick über die Stadt belohnt. Doch auch im Inneren gab es Sehenswertes zu entdecken. Die erhaltene Technik der damaligen Zeit konnte begutachtet und nachvollzogen werden, wie von hier aus früher die gesamte Stadt mit Wasser versorgt werden konnte. Wer die Chance verpasst hat, den Turm von innen zu begutachten, kann sich in unserem Video von der beeindruckenden Atmosphäre überzeugen.
Erinnerungskultur fördern
Neben dem Wasserturm öffneten noch acht weitere denkmalgeschützte Orte ihre Pforten und boten thematische Führungen an. Hierzu gehörte unter anderem die Gedenkstätte des KZ-Außenlagers Braunschweig Schillstraße. Die Führung zog viele Besuchende an, die mit angemessener Ruhe und Respekt den Informationen rund um das frühere Außenlager sowie die Errichtung der Stätte lauschten.
Ein Betonrahmen auf der Außenfläche markiert die einstigen Fundamente einer der vielen Häftlingsbaracken, die bei Ausgrabungen gefunden wurden. Sonstige bauliche Überreste existieren darüber hinaus nicht. Der Bedeutung dieses Ortes tut dies jedoch keinen Abbruch. Hunderte bewegender Geschichten wurden in dem einstigen Invalidenhaus, das heute als offenes Archiv dient, in 125 Kassetten gesammelt. Teile des Inhalts wurden nach und nach auf Tafeln auf dem Außengelände installiert. Ein Ort, der spürbar die Menschen bewegt und daran erinnert, wie wichtig es ist, die Geschichte nicht zu vergessen und für die Zukunft zu lernen. Wer außerhalb öffentlicher Führungen die Gedenkstätte erleben möchte, hat die Möglichkeit mithilfe eines internetbasierten Geländeguide auf eigene Faust das Areal zu erkunden.
Mittelalter trifft Moderne
Weniger emotional, doch kein Deut weniger spannend, war der Besuch der Kemenate Hagenbrücke. Dort, wo heute vielfältige kulturelle Projekte wie Ausstellungen oder private Feiern stattfinden, wurde sich im Mittelalter bei Kälte und Frost am Feuer aufgewärmt. Kemenaten waren beheizte Anbauten aus Stein, ausgestattet mit einer Feuerstelle – einem sogenannten „Caminus“. Daraus leitet sich auch der Name „Kemenate“, sozusagen „Kaminzimmer“ ab. In Braunschweig existieren heute noch neun dieser Bauwerke an unterschiedlichen Orten der Stadt. Die Kemenate Hagenbrücke wurde in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts errichtet. Ihr Aufbau folgt dem Braunschweiger Prinzip: ein nahezu quadratischer Grundriss, zwei Hauptgeschosse und ein Dachgeschoss. Das kleine Steinhaus wurde im Zweiten Weltkrieg, so wie fast die gesamte Fachwerkbebauung der Braunschweiger Neustadt zerstört.
Erst im Jahre 1946 wurde das Gebäude wieder Stück für Stück aufgebaut und lange Zeit privat genutzt, bis im Jahr 2012 die Karin und Jochen-Prüsse-Stiftung die Kemenate an der Hagenbrücke erwarb und um einen modernen Anbau erweiterte. Im Mai 2015 wurde sie schließlich als modernes Veranstaltungszentrum wiedereröffnet. Sie kann das gesamte Jahr über von kleineren Gruppen nach Anmeldung besichtigt oder für Veranstaltungen gemietet werden. Weitere Infos zur Kemenate an der Hagenbrücke sind hier zu finden.