Ein Rundgang über den Braunschweiger Lichtparcours

Noch bis zum 6. Oktober 2024 zeigen Künstlerinnen und Künstler von internationalem Rang entlang der Okerumflut in Braunschweig dreizehn aktuelle Arbeiten. Es sind Installationen und Skulpturen, die sich mit den Widersprüchen des Lichts beschäftigen, dem Licht im Spannungsfeld zwischen künstlicher und natürlicher Form sowie den Auswirkungen der Nutzung von Licht auf Mensch, Gesellschaft und Natur. Fünf permanente Arbeiten von Michael Sailstorfer, Yvonne Goulbier, Fabrizio Plessi, Mark Dion und Johannes Wohnseifer, die im Rahmen vorangegangener Lichtparcours entstanden sind, ergänzen den Parcours. Workshops, Musik, Lesungen, Performances und geführte Touren runden das Programm ab.

Allabendlich erstrahlen die Installationen entlang der Okerumflut zwischen 19 und 24 Uhr. Erkunden lässt sich der Parcours zu Fuß, mit dem Rad oder per Boot – zum Beispiel im Rahmen einer der zahlreichen geführten Touren.

An der Mühlenpfordtstraße schweben aus Ausschussware der Kunststoffindustrie gefertigte Quallen über der Oker. Abends werden sie mit Schwarzlicht effektvoll beleuchtet. Quallen profitieren von der Erwärmung der Ozeane und vermehren sich explosionsartig. Die Installation „West auf Nordwest“ ist eine Arbeit von Alma Barwitzki, die am Institut für Architekturbezogene Kunst (IAK) studiert, und ihren Entwurf zusammen mit Sina Heffner und Bernd Schulz ausgearbeitet hat, beide Lehrende am IAK. 

„West auf Nordwest“ von Alma Barwitzki. Bild: Stadt Braunschweig/Volker Crone
„One’s Sunset is Another One’s Sunrise“ von Jacqueline Hen. Bild: Stadt Braunschweig/Volker Crone

Weiter entlang der Oker auf Höhe des Theaterparks beschäftigt sich Jacqueline Hen in ihrem Werk „One’s Sunset is Another One’s Sunrise“ mit der Ambivalenz der Sonne – die niemals auf- oder untergeht, sondern immer irgendwo präsent ist. Schon immer und in vielen Kulturen spielt die Sonne eine zentrale Rolle, wird für Machtverhältnisse und Realitätsvorstellung zum bestimmenden Element. Die Gleichzeitigkeit von Realitäten sowie eine Wirklichkeit, die durch die Wahrnehmung der Menschen geprägt ist, wird durch dieses Kunstwerk thematisiert und hinterfragt.

Vor der monochrom rot leuchtenden Wallanlage des Museumsparks stehen die grauen Architekturen aus Holz von Christian Holls Kunstwerk „Observer“ wie Beobachtungsposten in einem futuristischen Ambiente. Das rote Lichtspektrum ist für viele Tiere und Insekten minimal bis gar nicht wahrnehmbar – ermöglicht dem Menschen jedoch eine gute Orientierung in der Dunkelheit. Christian Holl schafft mit „Observer“ eine surreale Verfremdung des Ortes durch eine veränderte Wahrnehmung der nächtlichen Parkanlage und ermöglicht damit eine nicht-invasive Erkundung des innerstädtischen Lebensraums, bei der der Mensch beobachten kann ohne zu stören.

„Observer“ von Christian Holl. Bild: Friederike Fuchs

Reflexionen der Umwelt

Nur ein kurzes Stück weiter unter der Steintorbrücke sind zwei Spiegelkugeln installiert, die von Sonnenlicht oder LED-Spots angestrahlt werden. So ergeben sich in der Arbeit „reflexion_reflexion“ von Christine Schulz wechselnde Lichtverhältnisse, nachts werden die Bäume illuminiert, akustisch unterstützt von einem Wassertropfenspiel von einem Baum in der Nähe und Klangkomponenten unter der Brücke. Durch diese kleinen Eingriffe will die Künstlerin die schon vorhandenen Reize des Ortes neu erlebbar machen.

„Reflexion_reflexion“ von Christine Schulz. Bild: Friederike Fuchs
„Great Tits Mobbing Phallic Landmark“ von Jens Pecho. Bild: Stadt Braunschweig/Volker Crone

Im Löwenwallpark dann das nächste vieldeutige Kunstwerk: „Great Tits Mobbing Phallic Landmark“ von Jens Pecho. Drei überlebensgroße, leuchtende Kohlmeisen machen sich am Obelisken zu schaffen. Der Titel der Arbeit spielt auf unterschiedliche Referenzsysteme an: Great Tit ist der englische Name der Kohlmeise. Mobbing ist der ornithologische Begriff für ein Gruppenverhalten unter Vögeln, die Scheinangriffe auf einen potenziellen Feind in ihrem Territorium fliegen. Phallic Landmark nennt man in der Anthropologie phallisch geformte Bauwerke. Es geht um Revierstreitigkeiten zwischen Mensch und Tier, menschengemachte Kategorien und Denksysteme werden dabei humorvoll aufs Korn genommen.

„TGIF“ von Šejla Kamerić – das Kürzel steht für „Thank God It’s Friday“ – soll als Ausdruck unserer Sehnsucht nach einer Atempause in einer sich unablässig drehenden Welt verstanden werden. Die Bilder und Klänge der Installation spielen auf eine unerbittliche, produktionsorientierte Gesellschaft an. Unterstrichen wird dieser Eindruck durch das ständig vorhandene künstliche Licht, das unaufhörliche Streben nach Fortschritt durch die riesigen Stahlbuchstaben des Akronyms TGIF.

„Thank God It’s Friday“ von Šejla Kamerić. Bild: Friederike Fuchs

Plastikkonsum kritisch beleuchtet

Im Kiryat-Tivon-Park am Steigenberger Hotel schwebt ein riesiger künstlicher Mond aus recyceltem Plastikmüll über dem Wasser. Die Arbeit „(Plastic) Full Moon“ des Künstler:innenkollektivs Luzinterruptus soll eine poetische Nachricht über Umweltschutz, Nachhaltigkeit und staatsbürgerliche Verantwortung sein. Es prangert den immensen Plastikkonsum der Menschheit an und ermahnt zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit unseren Ressourcen. Das Kunstwerk wurde in Zusammenarbeit mit der Öffentlichkeit erstellt, die eingeladen war, Plastikmüll zu spenden und in mehreren Workshops das Mond-Gebilde zusammenzusetzen. Gesponsert wurde die Mond-Installation von BS|ENERGY und der Wilhelm Ewe GmbH & Co. KG. 



„(Plastic) Full Moon“ von Luzinterruptus. Bild: Friederike Fuchs

Weiter geht es entlang der Oker durch den Bürgerpark. Mit „Rotlicht“ setzt Jan Philip Scheibe der Braunschweiger Bruchstraße ein Denkmal. Zwischen Freibad und Hotel, am Ende des Münzgrabens, wo Weidenzweige tief über der Oker hängen, erheben sich rote Acrylglasscheiben auf dem Wasser zu einer raumgreifenden Skulptur. Sie erinnern in ihrer Optik an die Fensterscheiben und die Beleuchtung im Rotlichtviertel der Bruchstraße.

„Rotlicht“ von Jan Philip Scheibe. Bild: Stadt Braunschweig/Volker Crone
„Slow Swan Social Club“ von Alona Rodeh. Bild: Stadt Braunschweig/Volker Crone

Auf dem Portikusteich, vor den historischen Ruinen, ziehen zwei Schwanentretboote ihre Kreise. Die Schwäne mit ihren stechend roten Augen treffen sich nie, fahren beständig aneinander vorbei. „Slow Swan Social Club“ von Alona Rodeh erinnert an das romantische Bild historischer Ruinen und Schwanensee-Choreographien aus dem 19. Jahrhundert. Es hinterfragt den Bürgerpark als malerischen, idyllischen Erholungsort und berechenbaren Genuss einer künstlich geschaffenen Naturkulisse.

Mehrere Verkehrsampeln zu je einem komplexen Konstrukt kombiniert, das ist Bettina Pousttchis Werk „Swarm“. Eine dieser Kompositionen hängt im dichten Laub des Parks, eine schwebt über der Oker. Ihre eigentliche Funktion haben sie verloren, die leuchtenden und wechselnden Anzeigen folgen keiner Logik oder Ordnung mehr. Damit reiht sich „Swarm“ in das Werk von Bettina Pousttchi ein, das sich mit den Ordnungssystemen des öffentlichen Raums beschäftigt und den unbewussten Wahrnehmungs- und Verhaltensmustern, die ihnen zugrunde liegen.

„Swarm“ von Bettina pousttchis. Bild: Stadt Braunschweig/Volker Crone

Zitate in Leuchtschrift

„We rise by lifting others“ – dieses Motto hat die italienische Künstlerin Marinella Senatore ihrer Installation „Assembly“ am Alten Bahnhof mitgegeben. Inspiriert wurde die Arbeit von der traditionellen Festbeleuchtung an den Hausfassaden süditalienischer Städte. Ihre Werke umschreiben mit Hilfe des Lichts einen Raum und schaffen einen universellen Platz zur gemeinsamen Nutzung.

„We rise by lifting others – Assembly“ von Marinella Senatore. Bild: Friederike Fuchs
„BETRETEN VERBOTEN“ der Studierenden am Institut für Architekturbezogene Kunst der TU Braunschweig. Bild: Stadt Braunschweig/Volker Crone

Ein weiteres Kunstwerk von Studierenden am Institut für Architekturbezogene Kunst (IAK) der TU Braunschweig findet sich an der Oker auf Höhe der Sidonienstraße. „BETRETEN VERBOTEN“ geht auf eine Idee des Studenten David Radivojevic zurück und suggeriert dem Publikum die Privatisierung der Oker. Bauzäune und Stacheldraht markieren die veränderten Besitzverhältnisse und versperren der Öffentlichkeit den Zugang. Die Ressource Wasser als kostbares Gut steht im Mittelpunkt, die globale Wasserverknappung wird thematisiert.

Zu guter Letzt verwandelt die Künstlerin Monica Bonvicini in ihrem Werk „Hit & Run Lovers“ Sprache in ein greifbares, dreidimensionales Zeichen, das rot leuchtet. Die Arbeit ist Teil einer Reihe von Sprachskulpturen und Zeichnungen zu Liedtexten der 1960er und 1970er Jahre und verweist auf politische und persönliche Veränderungen dieser Zeit ebenso wie auf schnelle und auch schnell wieder schwindende Verliebtheit in menschliche, nichtmenschliche und urbane Subjekte.

„Hit & Run Lovers“ von Monica Bonvicini. Bild: Stadt Braunschweig/Volker Crone

Dauerinstallationen

„No Sleep“ – Johannes Wohnseifer. Bild: Stadt Braunschweig/Volker Crone
„Der Elster Flohmarkt“ – Mark Dion. Bild: Stadt Braunschweig/Volker Crone
„Evokation in Rot“ – Yvonne Goulbier. Bild: Stadt Braunschweig/Volker Crone
„Solarkatze“ – Michael Sailstorfer. Bild: Stadt Braunschweig/Volker Crone
„Bogen der Erinnerung“ – Fabrizio Plessi. Bild: Stadt Braunschweig/Volker Crone

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