Grüne Zukunftsvisionen: Made in Braunschweig
Das Hydrogen Terminal Braunschweig am Forschungsflughafen und sein Potenzial, wegweisende Erkenntnisse für die Energieversorgung der Zukunft zu liefern.
Mit dem 2021 unterschriebenen Green Deal hat sich die Europäische Union zum Ziel gesetzt, 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, widmen sich heute diverse Forschungszentren der Dekarbonisierung unserer Wirtschaft und den damit verbundenen Herausforderungen. Eine, in diversen Sektoren vielversprechende, nachhaltige Alternative zur klimaschädlichen fossilen Energie ist die Nutzung von Wasserstoff.
„Grüner” Wasserstoff wird durch das Verfahren der „Elektrolyse“ gewonnen (siehe Infokasten). Der Wasserstoff kann anschließend problemlos über lange Zeit ohne Energieverlust gespeichert und nutzbar gemacht werden. Doch was so einfach klingt, ist in Wirklichkeit ein komplexes Zusammenspiel diverser Prozesse, die am neu eröffneten Hydrogen Terminal am Braunschweiger Forschungsflughafen weiter erforscht und optimiert werden sollen.
Im Juni 2024 wurde das Terminal, an dem sieben Institute der Technischen Universität Braunschweig sowie das Steinbeis-Innovationszentrum energieplus beteiligt sind, feierlich eröffnet. „Das Terminal ist eine Art Reallabor in der die gesamte Wasserstoffwirtschaftskette abgebildet, erforscht und Entwicklungen praktisch geprüft und angewendet werden können“, erklärt Bernd Engel, Leiter des am Projekt beteiligten elenia Institut für Hochspannungstechnik und Energiesysteme der TU Braunschweig. Für das elenia besonders interessant ist hierbei die Frage, wie regenerative Energien mithilfe von Wasserstoff bedarfsgerecht gespeichert und zur Stabilisierung des Stromnetzes genutzt werden können.
Wasserstoff – grau, blau oder grün?
Wasserstoff kommt in der Natur nur in gebundener im Wasser, wo es mit Sauerstoff das Molekül H2O Form vor: In Erdgas, Erdöl, Mineralien und am häufigsten bildet. Um das Element zu gewinnen, gibt es unterschiedliche Verfahren. Zurzeit werden noch 95 Prozent des verwendeten Wasserstoffs aus Erdgas hergestellt. Da dabei klimaschädliches CO2 in die Atmosphäre gelangt, spricht man von „grauem” Wasserstoff. Ebenfalls aus Erdgas wird der „blaue” Wasserstoff gewonnen, mit dem Unterschied, dass das freigesetzte CO2 abgeschieden und gespeichert wird. Um die gesteckten Klimaziele zu erreichen, soll künftig nur „grüner” Wasserstoff verwendet werden, bei dem durch Elektrolyse mit erneuerbarem Strom aus Wind- und Solarkraftanlagen das Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten wird.
Von der Erzeugung bis zur Bereitstellung
Um das Stromnetz stabil zu halten, wird bisher die Stromproduktion in konventionellen Kraftwerken gezielt hoch- und heruntergefahren – je nach Tageszeit, Saison und dem damit errechneten Bedarf. Die Erzeugung regenerativen Stroms ist jedoch weniger berechenbar, weshalb untersucht wird, wie überschüssiger Strom, zum Beispiel durch Solarenergie im Sommer, ohne große Verluste zwischengespeichert und kurzfristig in das Netz eingespeist werden kann. Die Wasserstoffwirtschaft könnte hier eine zentrale Position einnehmen, indem sie diesen Strom zur Erzeugung von leicht zu speicherndem Wasserstoff einsetzt und dabei sogar die elektrische Leistung zur Stabilisierung der Netzfrequenz bedarfsgerecht nutzt. Durch die schwankenden Produktionsmengen im Bereich der regenerativen Energien ergibt sich jedoch noch eine weitere Herausforderung, welche die Frage der Wirtschaftlichkeit von Wasserstoff aufwirft: „Es gibt Zeiten, in denen Photovoltaik kaum Leistung erbringt und besonders teuer, aber Windstrom günstig ist. Um den Elektrolyseur möglichst wirtschaftlich und dynamisch im Sinne der Energiewende mit nachhaltiger Energie zu betreiben, untersuchen wir daher, wie wir mithilfe von Batterien als Zwischenspeicher eine verbesserte Netzintegration von Elektrolyseuren herstellen und so, mit Wasserstoff und Batterien, optimal an den Energiemärkten teilnehmen können.“
Aufwand und Nutzen auf dem Prüfstand
Damit dieser Prozess im Sinne der Klimaziele effizient erfolgt, soll das Elektrolyseverfahren auf lange Sicht weiter optimiert und somit der Wirkungsgrad von Wasserstoff erhöht werden. Dieser bestimmt unter anderem auch, in welchen Bereichen ein Einsatz von Wasserstoff sinnvoll ist und wo sich Alternativen wie Batterien als sinnvoller erweisen. Dies ist zum Beispiel im Bereich von PKWs der Fall: „Es gibt zwar noch weitere Faktoren, die hier am Ende entscheidend sein werden, jedoch deutet alles klar darauf hin, dass bei PKWs der Einsatz von Batterien energieeffizienter ist“, so Bernd Engel. Anders sieht es hingegen im Bereich der Schwerlasttransporte aus. Bereits heute setzen manche Speditionen auf wasserstoffbetriebene Fahrzeuge oder Hybride, die sowohl Batterie als auch Wasserstoffbrennstoffzellen nutzen. Das Hydrogen Terminal Braunschweig stellt diesen LKWs den vor Ort erzeugten Wasserstoff an einer Wasserstofftankstelle zur Verfügung. So kann an realen Vorgängen gemessen werden, wie viel Energie der Druckaufbau zum Tanken verbraucht.
Bundesweit einzigartiges Projekt
Während die Tankstelle Daten zur Mobilität sammelt, soll das universitäre Energienetz am Forschungsflughafen im Bereich der Netzstabilisierung durch Wasserstoff zum Untersuchungsobjekt werden. „Wir forschen am Hydrogen Terminal im Megawatt-Maßstab, was in Deutschland einmalig für eine Universität ist. Hierdurch können wir große Mengen an Wasserstoff wirtschaftlich bereitstellen und viele Anwendungen in der Praxis testen. Das Terminal hat hierdurch das Potenzial, einen wichtigen Beitrag für die angewandte Forschung zu Wasserstoff in allen Teilbereichen und den großtechnischen Einsatz von Wasserstoff in der Energiewende zu leisten.“
Bei der Entwicklung des Wasserstoffkernnetzes könnte das Verbundprojekt eine wichtige Rolle einnehmen, weshalb es vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit einem Gesamtvolumen von über 20 Millionen Euro unterstützt wurde. Denn, so Bernd Engel: „Nur eine dekarbonisierte Industrie wird langfristig auch wettbewerbsfähig sein.“ An dieses Netz sollen als erstes große Elektrolyseure, die großen Stahlwerke, die umgerüsteten Gaskraftwerke und auch einige Chemiewerke angeschlossen werden. Ob langfristig auch in Privathaushalten Wasserstoff als Alternative zu Erdgas eingesetzt werden kann, ist hingegen noch nicht absehbar.
Infrastruktur für morgen: das Wasserstoffkernnetz
Das Wasserstoffkernnetz ist essenziell für die Energiewende. Nur mit grünem Wasserstoff als Alternative zu fossilen Energieträgern kann eine Dekarbonisierung der Energieversorgung und der Industrie voranschreiten. Laut einem Beschluss der Bundesnetzagentur vom Juli 2024 sollen zwischen 2025 und 2032 schrittweise rund 9.700 Kilometer Wasserstoffleitungen deutschlandweit in Betrieb gehen. Dafür werden sowohl bestehende Erdgasleitungen umgewidmet als auch neue Wasserstoffleitungen gebaut. Nach jetzigem Planungsstand ist ein Anschluss von Braunschweig an das Wasserstoffkernnetz nicht vorgesehen. Um die CO2-Emissionen weiter zu reduzieren und die Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien voranzutreiben, setzt sich BS|ENERGY beim zuständigen Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und den Fernleitungsbetreibern für einen Anschluss der Löwenstadt ein.